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Einen Rohdiamanten geschliffen

17.08.2022

In einem beschaulichen Weiler nahe des Bichelsees befindet sich ein aussergewöhnliches Objekt: ein Bohlen-Ständerbau aus dem Jahr 1738. Das Verkaufsdossier betitelte die Liegenschaft als Rohdiamanten. Tatsächlich war einige Schleifarbeit nötig, um den einzigartigen Charme zu neuem Leben zu erwecken.

Der Flarz ist im typischen Baustil von ärmlichen Kleinbauernhäusern des Zürcher Oberlands gebaut. Ein Reihenhaus, wo nach Bedarf ein weiteres Haus angebaut wurde. Das Tösstal wurde schon früh industrialisiert und arme Bauern verdienten sich mit Weben zu Hause noch etwas dazu. Durchgängige Fensterreihen im Erdgeschoss brachten genug Licht in die Stube. Das Objekt ist mit seinen drei Geschossen und dem ausgebauten Dachgeschoss hingegen eher hoch für einen typischen Flarz. Im Dokument der Denkmalpflege steht, es könnte sich um einen Kehlhof gehandelt haben. Von aussen wirkt der gesamte Komplex sehr grosszügig.

Eine Designküche mit Ahornablage fügt sich perfekt in das Ambiente ein.

Küche ist das Herz des Hauses
Bei genauerem Hinschauen wird klar, dass der Rohdiamant nur ein kleiner Schnitz in der Reihe ist. Die Gliederung des Hauses ist wiederum typisch für diese Bauweise. Der Grundriss ist ein langgezogenes Rechteck, das in allen drei Geschossen eine dreiteilige Raumeinteilung aufweist. Die kurzen Kanten des rechteckigen Grundrisses sind die Aussenwände, welche mit traditionellen Fenstern bestückt sind. Durch einen schmalen Gang im Erdgeschoss, welcher mit dem Nachbarn geteilt wird, betritt man gleich das Herz des Hauses, die Küche. Sie liegt in der Mitte des Erdgeschosses neben der vertikalen Erschliessung. Richtung Süden grenzt das Esszimmer an und nach Norden das Wohnzimmer.

Das erste Obergeschoss beherbergt in der Mitte nebst der vertikalen Erschliessung ein Badezimmer mit Dusche, im Norden ein Schlafzimmer und im Süden den Atelierraum der beiden Kreativschaffenden. Im zweiten Obergeschoss sorgt in der Mitte ein zweites Bad mit Dampfbad für Entspannung. Je ein Zimmer Richtung Norden und Süden dienen als weitere Schlafräume und Gästezimmer. Im Dachgeschoss finden sich nochmals

zwei Zimmer. Insgesamt fasst der schmale Flarz acht Zimmer.

Fernwärme statt Elektrospeicheröfen
Die Bauherrschaft konnte die Liegenschaft Anfang 2018 erwerben und brachte viel Flair für das altehrwürdige Haus mit, welches auch im Inventar der Denkmalpflege gelistet ist. Leider wurde die alte Bausubstanz in den letzten Jahrzehnten mit allerlei Bausünden zugebaut. Geheizt wurde mit Elektrospeicheröfen und einzelnen Tragöfen. Wichtige Anliegen der Bauherrschaft waren eine neue Küche im Erdgeschoss, zwei neue Bäder, eines davon mit Dampfbad und eine neue Zentralheizung. Für die Heizung wurde dann rasch eine sehr nachhaltige Lösung gefunden. Der Weiler betreibt eine Holzschnitzel-Anlage, wo man sich als Genossenschafterin oder Genossenschafter einkaufen und von dort Fernwärme beziehen kann. Dies war zudem die weitaus günstigste Lösung.

Materialien und Bauteile, die Geschichten erzählen
Der gesamte Mittelteil des Hauses wurde bis auf die Balkenlage entkernt, um die neue Küche und die Badezimmer einzubauen. In allen Etagen wurde um jeden Zentimeter Raumhöhe gekämpft. In der Küche im Erdgeschoss entschied sich die Bauherrschaft, den Boden abzugraben, um auf komfortable 2,1 Meter Raumhöhe zu gelangen. Schiefer, Weisstanne und Lehm geben bei den neuen Einbauten den Ton an. Weisstanne wurde schon für die Bohlen verwendet und kam wieder für die Einbauten der Badezimmer zum Zuge. Im Mittelteil des ersten und zweiten Obergeschosses wurden je zwei Räume für die Badezimmer eingezogen und diese wurden mit Weisstanne beplankt. Alle Plattenarbeiten wurden in Schiefer ausgeführt und die Wände mit weissem Lehm verputzt.

 

Im modernen neuen Badezimmer sorgt ein Sternenhimmel für Stimmung in der Dusche.

Eine Herausforderung war das Dampfbad einzubauen, welches komplett in schwarzem Schiefer daherkommt und mit einem Sternenhimmel aus Glasfasern für die richtige Stimmung sorgt. Im ersten Obergeschoss entfernte die Bauherrschaft in Eigenleistung die Wand zum südlichen Zimmer, was den beengenden Eindruck beim Erklimmen der Treppe sofort behob. Nun präsentiert sich ein grosser offener Raum und das Treppenhaus wird mit Tageslicht versorgt. Ein besonderes Detail ist das raumhohe Fenster, das auf Wunsch der Bauherrschaft im Badezimmer im ersten Obergeschoss eingebaut wurde. Dank der fehlenden Wand erreicht das Tageslicht nun auch dieses Badezimmer.

Sirun Kurtcuoglu (Architektin und Mitglied der Geschäftsleitung bei «arba – atelier für architektur & bauhandwerk» und Regionalgruppenleiterin der «igaltbau Winterthur»)